Stammbaum von
Bits und Bytes
|
|
Bewertung:
Internet und Computer sind mit Sicherheit die wichtigsten Errungenschaften unserer Zeit, doch die wenigsten wissen, wie diese Technologien im Grunde funktionieren und noch weniger, wem wir sie zu verdanken haben. Von den vielen genialen Entwicklern, die an der Erschaffung heutiger Rechner beteiligt waren, sind nur wenige bekannt. Vor allem die frühen Tüftler, die aus der Idee einer universellen Rechenmaschine immer schnellere Computer machten, kennt heute keiner mehr. Diese Wissenslücke möchte nun ein Buch schließen, das der Leiter des Aspen-Instituts (einer internationalen Denkfabrik und Dialog-Plattform), Walter Isaacson, verfasst hat. Nachdem er bereits mit seiner Biografie von Steve Jobs in die Welt der digitalen Entwickler eingetaucht war, erzählt er dieses Mal ausführlich die Geschichte des Computers anhand der an seiner langen Entwicklung beteiligten Personen. Dabei kann man ganz nebenbei die Funktionsweise des Computers verstehen.
Isaacson blickt auf Erfinder und Unternehmer, die permanent Ideen produzierten und lustvoll die Zukunft mitgestalteten. Alles beginnt bereits im 19. Jahrhundert mit Ada Lovelace, der Tochter des Dichters Lord Byron. Diese zwischen romantischer Schwärmerei und mathematischem Genie changierende Adelige formulierte bereits 1843 die Funktionsweise moderner Computer. Sie realisierte vielleicht als erste, dass die Kombination von Kunst und Technologie sich in einer Universalmaschine würde realisieren lassen. „Indem sie [die Maschine] eine Möglichkeit eröffnet, allgemeine Zeichen in Abfolgen von unendlicher Vielfalt und Größe miteinander zu kombinieren, ist ein einendes Band geschaffen zwischen den Transaktionen von Materie und den abstrakten geistigen Vorgängen.“ Nach frühen Versuchen von Rechenmaschinen mit Lochkarten in jener Zeit, die in Vergessenheit gerieten oder nie fertiggestellt wurden, nahm die weitere Entwicklung erst 100 Jahre später wieder Fahrt auf.
Die Universalmaschine entstand erst im Geiste und wurde später mit technischen Mitteln mehrfach unterschiedlich gebaut und verbessert. Jeder Abschnitt der Entwicklung, jeder Erfolg und jeder Misserfolg haben zu ihrer Entwicklung beigetragen. Mehrmals haben Entwickler aus jahrzehntealten Modellen anderer profitiert. Als erster Computer, der im Groben der heutigen Funktionsweise entspricht, gilt laut Isaacson der ENIAC von J. Presper Eckert und John Mauchly. Dieser nach zwei Jahren Bauzeit Ende 1945 fertiggestellte Riesenrechner arbeitete digital, verwendete aber statt eines Binärsystems aus Nullen und Einsen ein Dezimalsystem. Er konnte als erster auf der Basis seiner Zwischenergebnisse in einem Programm hin- und herspringen und Unterprogramme wiederholen, die häufig anfallende Aufgaben lösten. Die für militärische Zwecke gebaute Maschine konnte fünftausend Additionen und Subtraktionen in einer Sekunde durchführen und war damit hundertmal schneller als jede bis dahin gebaute. Er war stolze dreißig Meter lang, zweieinhalb Meter hoch und wog knapp dreißig Tonnen. Ein Smartphone wiegt heute nicht mehr als 100 Gramm.
Weiter geht die Genealogie von Programmier-Pionierinnen wie Grace Hopper, die die Grundlagen für unsere heutigen Systeme schufen und in emsiger Betriebsamkeit immer wieder aufs neue die starren Maschinen verkabelten und ihrem jeweiligen Zweck entsprechend codierten, über die Entwickler einzelner Hardware-Komponenten wie der Maus und immer schnelleren Prozessoren bis hin zu den ersten Netzwerken, der E-Mail und all dem, was junge Enthusiasten aus dem Internet gemacht haben. Daneben kommt es zu einigen weitreichenden Entwicklungen in der Benutzeroberfläche sowie Videospiele und diverse nutzerfreundliche Software.
Bewusst beleuchtet Isaacson in The Innovators nicht die aktuellen Prozesse um KI oder autonomes Fahren, sondern füllt die Wissenslücke über die Entwicklung der Basistechnologie. Seine detailliert recherchierte Zeitreise beschreibt vor allem die Menschen, die hinter den technischen Feinheiten stecken, ihre Beweggründe und ihren Antrieb. Möchte man diese Nerds, Spieler oder Weltverbesserer verstehen, muss man ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten kennenlernen. Isaacson ermöglicht dies einfühlsam, klar und ohne Pathos. Daneben kann man hier endlich einmal die Entwicklung der digitalen Technologien nachvollziehen. Was bei modernen Geräten unsichtbar und schwer verständlich ist, wird beim Gang durch die Entwicklungsgeschichte mit zahlreichen Exkursen zu Hard- und Software verständlich. Vor allem als Hörbuch, eingängig gelesen von Frank Arnold, wird dieses Stück hochaktueller Technikgeschichte zur erhellenden Lehrstunde über geniale Visionäre.
August Werner - 28. Juli 2018 ID 10818
Link zum Buch:
https://www.randomhouse.de/Buch/The-Innovators/Walter-Isaacson/C-Bertelsmann/e474598.rhd
Post an August Werner
http://www.ecotype.de
Lesen im Urlaub
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeige:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
AUTORENLESUNGEN
BUCHKRITIKEN
DEBATTEN
ETYMOLOGISCHES von Professor Gutknecht
INTERVIEWS
KURZGESCHICHTEN- WETTBEWERB [Archiv]
LESEN IM URLAUB
PORTRÄTS Autoren, Bibliotheken, Verlage
UNSERE NEUE GESCHICHTE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|